Da es im Moment nicht soviel zu erleben gibt, ist es mal an
der Zeit ein paar Schlussfolgerungen zu ziehen und meine Reise zu reflektieren.
Vieles von dem, was ich schreibe, kann man wahrscheinlich nur sehr schwer
nachvollziehen, wenn man nicht selbst in meiner Lage war. Am besten können es
wahrscheinlich die Leser hier nachvollziehen, die selbst für eine solange Zeit
durch die Weltgeschichte gereist sind. Heute geht es um den Lerneffekt einer
Reise. Was hat mir dieses Abenteuer bis jetzt gebracht? Was lernt man über sich
und die Welt?
Freie Selbstentfaltung
Es ist schier unglaublich, aber das Reisen ist der absolute
Klimax für Freiheit und Unabhängigkeit. Man hat keine Verpflichtungen, die
einen an irgendetwas binden. Ich habe Lust auf etwas. Ich mache es. Ich fühle
mich unwohl, ich lasse es sein. Die einzigsten Verpflichtungen die man hat,
legt man sich selbst auf. Jeden Tag aufs neue entscheiden zu können, was man
mit dem Tag anfängt, ist einfach der Höhepunkt des Seins. Man kann sich von
Reisepartnern trennen, wann immer man will, man kann die Arbeit kündigen, wann
immer man will, man kann im Hostel auschecken, wann immer man will. Zu Hause
geht das nicht. Mal eben Haus und Hof zurückzulassen, ist schwieriger als man
denkt. Und vor allem den geliebten Job aufzugeben. Wer möchte das schon? Aber
da zeigt sich, wer den Mut hat Altes aufzugeben und Neues zu entdecken. Jeden Morgen Aufzuwachen und zufrieden
festzustellen, dass man sein eigener Herr ist, ist traumhaft. Keine Entscheidung
wird hinterfragt, man macht es einfach.
Selbstständigkeit und Kampfgeist
Man lernt absolut über sich herauszuwachsen und an jeder
Herausforderung, der man sich stellt, wächst man. Ein großer Nachteil, aus
seinem gewohnten Umfeld herauszukommen ist, dass man keine Hilfe bekommt und
man ganz allein auf sich gestellt ist. Das fängt bei gewöhnlichen Dingen, wie
Wäsche waschen und Kochen an. Zu Hause war das alles irgendwie einfacher :D
Aber der Mensch ist sehr lernfähig. Not macht erfinderisch und so lernt man
sich selbst zu helfen und sich mit gewissen Dingen zu arrangieren. Je mehr
Herausforderungen man sich stellt, desto mehr merkt man allerdings, dass es
kein Nachteil ist, sondern ein Vorteil, von zu Hause weg zu sein.
Man lernt, niemals aufzugeben. Für alles gibt es eine
Lösung. Ich kann es selbst nicht glauben, aber manch einfache triviale Dinge
hier haben mich so stolz gemacht, wie ich es nicht mal im Studium oder auf der
Arbeit war, wo man denkt, die Herausforderungen seien viel größer. Beim Reisen
lernt man grundsätzliche Dinge des Lebens und wie man selbst am besten
„überlebt“. Es ist schwer zu beschreiben. Aber auf keine fremde Hilfe
angewiesen zu sein und sich aus eigener Kraft zu helfen, fühlt sich verdammt
gut an.
Meine größte Herausforderung bestand in der Sprachbarriere
am Anfang. Nie hätte ich gedacht, mal im Supermarkt an einer Kasse Kunden auf
Englisch zu bedienen oder sogar als Barkeeper zu arbeiten. Auch meine härteste Herausforderung, die
Steuererklärung letztes Jahr, hat mich echt viel Nerven gekostet. Aber am Ende
war ich so stolz aus eigener Kraft diesen Kampf gewonnen zu haben und als
Belohnung gab es sogar 3500$. Nie zuvor musste ich so hart arbeiten, wie beim
Fruitpicking oder in den Lagerhäusern. Das ich es tatsächlich jedes Mal bis zum
Ende durchgezogen habe, macht mich einfach nur stolz.
Minimalismus
Man lernt, dass man eigentlich nur sehr wenige Dinge im
Leben braucht, um glücklich zu sein. Seit fast 2 Jahren reise ich nun mit
nichts mehr als meinem Koffer und meinem Rucksack durch Australien. Und
irgendwie vermisse ich Nichts von dem, was ich zu Hause alles hatte. Es muss
nicht immer alles Luxus sein, solange man sich selber wohl fühlt, reicht ein
einfacher Lebenstil völlig aus. Ich habe seit fast 2 Jahren keine Badewanne
mehr gesehen, keine eigene Wohnung mehr gehabt, keinen regelmäßigen Job, kein
eigenes Bett etc. Und erstaunlicherweise, es ist OK. Viele denken
wahrscheinlich, wie das funktioniert. Ich kann es nicht erklären, aber es
funktioniert wirklich. Ich habe sogar 3 Monate in Darwin im Auto geschlafen und
gelebt. Nicht einfach, aber es war eine der schönsten Erfahrungen unter
Sternenhimmel einzuschlafen. Manchmal sind eben
3 Schritte zurück 10 Schritte vorwärts. Man teilt sein Lebensraum mit
anderen Menschen 24 Stunden, 7 Tage die Woche und es ist OK. Das Einzige, was
man im Leben braucht, ist die Gesundheit. Der Rest ist Luxus. Ich habe Euch ja
von dem Rentner erzählt, der von der Westküste an die Ostküste gelaufen ist. Er
hat mir gesagt: „Es gibt 4 Dinge, die man im Leben braucht zum Glücklichsein.
Man braucht Gesundheit, jemanden, der einen liebt, man braucht eine Aufgabe
(etwas zu tun) und man braucht etwas, auf das man sich freut (Träume und
Ziele)“ Und irgenwdwo hat er da recht.
Wertschätzung
Eine ganz wichtige Erkenntnis des Reisens. Ganz viele Dinge,
die zu Hause selbstverständlich, lernt man absolut zu schätzen. Einfache Dinge,
wie ein zu Hause. Am wichtigsten ist aber die Erkenntnis, dass es nichts
Schöneres gibt, als die Familie und wahre Freunde. Ich könnte niemals
herumreisen ohne zu wissen, dass zu Hause immer jemand ist, der an mich denkt.
Reisepartner und auch manche Freunde kommen und gehen, aber ihr glaubt gar
nicht wie schön es ist zu wissen, dass es Leute gibt, die zu Hause auf einen
warten und an einen denken. Ich vermisse Euch alle so sehr. Da kullert mir
schon fast eine Träne übers Gesicht. Aber es ist so schön zu wissen, dass es
Euch gibt, auch wenn ich soweit entfernt bin. Man lernt beim Reisen auch mit
der Einsamkeit umzugehen, aber egal was passiert, es gibt immer einen Platz wo
man zurückkehren kann und wo man aufgefangen wird. Das ist ein Geschenk des
Himmels!
Das Unmögliche möglich machen
Ja, es ist wahr. Man lernt Träume wahr zu machen. Sogar
Träume, von denen man nicht mal geträumt hat, weil man dachte, sie können nicht
in Erfüllung gehen. Dass ich mal als Barkeeper mitten im australischen Outback
enden würde, dass ich mein erstes eigenes Auto in Australien kaufen würde, dass
ich meinen Tauchschein machen würde und in die Unterwasserwelt stürze, dass ich
aus über 4km aus einem Flugzeug springe, dass ich mit einem Quadbike durch den
australischen Busch fahre und dafür Geld bekomme … all das hätte ich mir
niemals erträumt und es ist doch wahr geworden. Ja, das schönste am Reisen ist,
dass man sich nicht nur einen, nein, man kann sich 1000 Träume erfüllen. Es
ist, als ob man in einer Traumwelt lebt. Gefühle und Erlebtes überwältigen
einen und man fragt sich ständig, wann man den gekniffen wird, um aufzuwachen.
Alles ist möglich und wenn ihr mich fragt, kann man gar nicht früh genug damit
anfangen, sich seine Träume zu erfüllen. Jeden Tag wird man aufs neue
überrascht und ich LIEBE Überraschungen :)
Gespannt, wie ein kleines Kind fiebert man auf Reisen manchmal gewissen
Momenten entgegen.
Offenheit und Weitblick
Die wohl Schönste Erfahrung beim Reisen ist, dass man unsere
Welt und Leute aus der ganzen Welt kennenlernt. Man glaubt gar nicht, welche
Schätze unsere Erde für uns bereithält, bevor man sie nicht selbst gesehen hat.
Ich kann es gar nicht in Worte fassen, welch faszinierende Orte ich auf meiner
Reise gesehen habe. Man lernt andere Kulturen und Lebensweisen kennen. Mal ganz
ehrlich, in Deutschland beschwert man sich über Krankenversicherung, Politik,
Gehälter und Arbeitslosigkeit. Dabei haben wir eines der stabilsten Systeme
überhaupt und keiner muss sich seiner Existenz fürchten. Das Reisen öffnet
einem die Augen in vielen Dingen. Man steht vielen Dingen offener gegenüber und
man lernt seine gewohnte Umgebung besser in das Gesamtbild unserer Welt
einzuordnen. Man lernt, wie schlecht und gut es manchen Menschen geht und auch
wie wichtig es ist, unsere Erde zu schützen. Ich habe soviele interessante
Gespräche mit Leuten von allen Kontinenten der Erde gehabt und man lernt immer
wieder neue Sachen. Das Outback, der Regenwald in Cairns, die Korallenriffe am
Great Barrier Reef und am Ningaloo Reef, die tasmanische Wildnis… alles Wunder
unserer Natur. Wenn man mal im Karijini Nationalpark oder im Purnululu
Nationalpark war oder an den Stränden entlang der Westküste gelegen hat, erst dann
begreift, man welch natürliche Wunder eigentlich auf uns warten.
Ach ich glaube, da könnte ich ein Buch drüber schreiben.
Eines sei jedoch noch gesagt. Und hier kommen wir zurück auf die Phrase die
seit Anfang meines Blogs direkt unter der Überschrift steht. Es macht keinen
Unterschied, ob die Reiseerfahrungen gut oder schlecht sind, sie werden jedoch unvergesslich
und immer in Erinnerung bleiben.