2 Tage habe ich in Tanna verbracht. 2 Tage die es absolut in
sich hatten. So etwas wie hier, habe ich vorher
noch nicht gesehen. Ich muss Euch zunächst ein Bild machen von Tanna.
Tanna liegt 1 Flugstunde südlich von Efate. Das modernste Gebäude der Insel ist
der Flughafen. Geteerte und befestigte Straßen gibt es nicht. Die einzig
geteerte Straße ist die Landebahn des Flughafens. Die braucht man aber auch
nicht, denn es gibt wahrscheinlich nur ein paar Dutzend Fahrzeuge auf der
gesamten Insel. Eine wirkliche Stadt in Tanna gibt es nicht. Es gibt ein
kleineres Dörfchen namens Lenakel, wo die Inselbewohner alles finden, was sie
zum Leben brauchen. Eine Bankfiliale, ein Fleischer, ein Postbüro, ein
Telekommunikationsladen und einen klitzekleinen Supermarkt. Die Einheimischen
sind Selbstversorger. Lenakel ist ebenso der einzige Ort, an dem es Internet
gibt. Eine Tankstelle gibt es auf der Insel auch nicht. Die Einheimischen
müssen Fässer mit Benzin aus Port Vila bestellen und in ihrem Dorf lagern. Ein
kleines Kraftwerk versorgt gerade mal Lenakel und den Flughafen mit Strom. Die
Menschen leben im Dschungel, völlig abgeschieden von der Außenwelt. Die meisten
Menschen sind niemals außerhalb Tannas gewesen. Der westliche Lebenstil ist den
Menschen hier völlig unbekannt. Um es kurz zu fassen: Tanna hängt allem, was
ich bis jetzt sehen durfte mindestens ein paar hundert Jahre hinterher.
Was treibt einen Touristen auf solch eine Insel. Tanna hat
ein Ass im Ärmel. Und zwar ist das der Mount Yasur, ein aktiver Vulkan, der als
der zugänglichste aktive Vulkan der Welt gilt. Aber mehr dazu gleich. Das ist
auch der Grund, weshalb ich nach Tanna gekommen bin. Ich wollte unbedingt
diesen Vulkan sehen. Nasse hat mich dann mit einen der wenigen Autos auf Tanna
vom Flughafen abgeholt. Der Flughafen ist auf der Westseite der Insel, der
Vulkan auf der Ostseite. Wie gesagt, gibt es keine befestigten Straßen. Die
Fahrt dauerte 2 Stunden und es war ziemlich holprig. Da wurde man ordentlich
durchgeschüttelt. Nasse war natürlich nicht nur für mich zuständig, sondern war
wie ein öffentliches Taxi. So hatten wir nach einer Weile das Auto voll mit
Einheimischen und jede Menge Gemüse und Obst auf der Ladefläche. Es ging
zunächst nach Lenakel auf den örtlichen Markt. Dann ging es Mitten hinein in den
Dschungel Tannas. Auf dem Weg sehe ich doch tatsächlich ein Polizeiauto,
vollgepackt mit Einheimischen und ihren Sachen. Unglaublich, das Polizeiauto
wird hier als öffentliches Transportmittel missbraucht. Der Polizist chauffiert
Leute über die Insel, anstatt für Recht und Ordnung zu sorgen. Welche Recht,
welche Ordnung? Haha, so etwas existiert auf Tanna nicht.
Der Markt in Lenakel
Eine neue Schiffsladung aus Port Vila im rostigsten Boot, das ich je gesehen habe
An der Straßenseite verkaufen die Einheimischen ihre Ernte
Das ist übrigens die Wurzel aus der Kava gemacht wird
2 Stunden lang durchgeschüttelt
Dann nach ca. 1,5
Stunden Fahrt, während wir hier und da mal ein paar Leute abgeworfen und
aufgeladen hatten, tauchte er vor uns majestätisch auf. Vor dem Vulkan war eine
riesige Aschelandschaft. Alles war grau. Keine Pflanzen. Nichts. Einfach nur
Asche überall und am Horizont tiefgrüner Dschungel. Die Natur ist verrückt.
Schon allein die Fahrt durch die Aschelandschaft am Fuße des Vulkans hat mir
die Sprache verschlagen. Das war sehr beeindruckend, aber seht selbst.
Meine Unterkunft war mitten im Dschungel am Fuße des
Vulkans. Kelson begrüßte mich und sehr überraschend hat er auch recht gut
Englisch gesprochen. Meine Unterkunft war einfach, aber OK. Immerhin durfte ich
mal wieder in einen dieser selbstgebastelten Häuser schlafen. Elektrizität gab
es nur für ca. 2 Stunden während des Abends. Gerade mal genug, um meine Kamera
aufzuladen. 2 Tage ohne Strom, Handy, Internet und Technologie. Das war sehr
neu für mich, aber es war OK. Das „Restaurant“, wie es Kelson nannte, war eine
einfache Hütte. Das Essen war zwar recht einseitig (wo soll es auch
herkommen?), aber echt lecker. Nach einem guten Nickerchen ging es dann auf zum
Vulkan. Gemeinsam mit Clement, den ich im „Dschungelcamp“, wie ich meine
Unterkunft jetzt mal nenne, getroffen habe, ging es auf einen 1-stündigen
Fußmarsch hinauf zum Vulkan.
Meine Unterkunft
Auf dem Weg zum Kraterrand
Wir haben es bis oben hin geschafft. Das Grollen des Vulkans
ist ziemlich furcht einflössend. Ich glaube, ich war zum richtigen Zeitpunkt
da, denn wenn der Vulkan zu aktiv ist, ist es zu gefährlich, um bis auf den
Kraterrand zu gehen. Ist der Vulkan nicht sehr aktiv, dann kann man die Lava
nicht wirklich gut durch die Lüfte fliegen sehen. Der Vulkan hatte die richtige
Laune an dem Tag. Es war genau richtig. Man konnte gerade noch auf den
Kraterrand steigen und nicht von Lavabrocken getroffen werden. Dann zuckte ich
zusammen. Eine Explosion. Und was für eine. Da habe ich mir fast in die Hosen
geschissen. Und dann fliegen die Lavabrocken durch die Lüfte. Was für ein
Spektakel. Man kann richtig sehen, wie zunächst die Druckwelle aus dem Schlot
kommt, gefolgt von einem lauten Donnern und die Explosion lässt die Lava durch
die Lüfte fliegen. Es hat mich einige Zeit gedauert mich daran zu gewöhnen,
denn man hat zunächst immer Angst von der Lava getroffen zu werden. Und
tatsächlich muss man einige Male einen Schritt zur Seite machen, um nicht von
der Lava getroffen zu werden. Dann hat doch tatsächlich auch noch ein Paar aus
Israel auf dem Krater geheiratet. Alles grau und Explosionen. Das hatte für
mich mehr die Atmossphäre einer Beerdigung. Naja, jeder hat andere Geschmäcker.
Wir sind bei Tageslicht angekommen und sind geblieben bis es dunkel wurde.
Leider ist das Video zu groß zum Hochladen, aber hier die besten Bilder.
Als wir zurück in Camp waren, hatten Kelson und sein Freund
Kava gebraut. Einen ganzen Liter. Ich habe Euch ja schon von Kava erzählt, aber
hatte irgendwie noch nie den Effekt wirklich gespürt. Nicht so dieses Mal.
Dieser Kava war einfach nur sehr stark. Vanuatu braut den stärksten Kava im
Pazifik. Zunächst merkte ich nichts. Als wir dann aber zum Abendessen gingen,
merkte ich wie der Kava reinhaute. Ich war stoned und unglaublich relaxed.
Unglaublich, aber wahr. Von einer Wurzel?!?! Das Beste ist, Kava macht weder
abhängig, noch hat es ernste gesundheitliche Schäden. Die Einheimischen hier
wissen, wie man organische Drogen herstellt :D Ich nehme alle Vorurteile über
Kava zurück. Das Zeug wirkt echt wie ein Betäubungsmittel. Wir haben dann den
Abend mit ein paar Bieren ausklingen lassen. Völlig entspannt saßen wir vor
meiner Hütte und starrten auf den flimmernden roten und grollenden Horizont.
Magisch.
Am nächsten Morgen sprach ich mit Kelson und wir kamen ins
Gespräch über Ashboarding. Was ist denn Ashboarding? „Den Vulkan
herunterrutschen, natürlich“ sagte Kelson. Ich wollte das natürlich
ausprobieren. Kelson gab mir seine 2 Söhne an die Hand, die mich dann in ein
kleines anderes Dorf brachten, um das Board abzuholen. Ich staunte nicht
schlecht. Ich dachte, er meinte ein kleines Holzboard oder sowas. Es war ein
Snowboard. Upps, ich glaube die betreiben hier Ashboarding als seriösen Sport.
Zu geil. Die beiden Kinder haben mich dann zum Vulkan begeleitet. Ich habe
niemals zuvor auf einen Snowboard gestanden, was mir en wenig Angst machte.
Tanna ist ja nun auch nicht gerade übermäßig mit Doktoren und Krankenhäusern
ausgestattet. Was solls? Ich musste das einfach ausprobieren. Und es ging
ziemlich gut. Es hat super viel Spaß gemacht. Leider habe ich keine Bilder
davon, denn Kelsons Kinder konnten wenig Englisch sprechen, noch haben sie
jemals zuvor in ihrem Leben eine Digitalkamera gesehen. Dann musste ich auch
feststellen, dass Regen an einem Vulkan nicht gerade sehr angenehm ist. Die
ganze Asche in der Luft bindet sich im Regen und lässt sich auf Körper und
Sachen nieder.
Nach dem Mittagessen wollte ich dann heiße Quellen in der
Nähe des Vulkans besichtigen. Kelson gab mir nur eine grobe Wegbeschreibung.
Ich habe die Quellen deshalb nicht gefunden. Das machte aber auch nichts, denn
so konnte ich die Aschelandschaft um den Vulkan noch einmal näher betrachten.
Auf meinen Weg sah ich doch tatsächlich Einheimische mit einer Steinschleuder.
Nachdem ich aus dem Dschungel ein Grunzen hörte, war mir klar, die jagen ein
Wildschwein. Die Jagen ein Wildschwein mit einer Steinschleuder? Sind das hier
Höhlenmenschen? Immer wieder konnte ich Einheimische auf meinem Weg sehen, die
leichtbekleidet und nur mit einer Machete bestückt durch den Dschungel zogen.
Wow, nie hätte ich gedacht, dass Leute im 21.Jahrhundert immer noch so leben.
Ich sah die Leute und musste mir die großen Städte zu Hause und die ganze
selbsverständliche Technologie zu Hause vorstellen. Das ist einfach eine
komplett andere Welt.
Am nächsten Morgen ging es zurück zum Flughafen. Auf dem Weg
hielt Nasse an und sprach mit jemanden in Bislama. Er drehte sich zu mir und
sagte: „Da ist gerade jemand am Sterben“ Ich fragte ihn erstaunt, ob man dieser
Person denn nicht helfen möchte und ob ein Doktor in der Nähe ist. Nasse
entgegnete mir nur: „Die haben ein Doktor da. Ach, ich weiß auch nicht…“ Ohh,
anscheinend ist es hier an der Tagesordnung, dass ab und zu mal jemand
verstirbt.
Die 2 Tage auf Tanna waren Wahnsinn. Nicht nur der Vulkan,
sondern auch die Lebenweise der Menschen hier.
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